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Der Schattenbürgermeister

Für Bischof Bernardo Johannes Bahlmann aus dem brasilianischen Partnerbistum Óbidos ist die Kirche auch für die Gesellschaft verantwortlich – Jugendzentrum, Krankenhaus und Brunnenbau als gelebte Nächstenliebe

Würzburg/Óbidos (POW) Soziales Engagement der Kirche ist für ihn keine Kür, sondern Pflicht. Das betont Bischof Bernardo Johannes Bahlmann (54), Bischof von Würzburgs brasilianischem Partnerbistum Óbidos, bei vielen Gelegenheiten. So auch bei einer Tagung im Würzburger Matthias-Ehrenfried-Haus zum Thema „Missionarisch Kirche gestalten aus dem Geist des Franz von Assisi“. „Papst Franziskus hat bei den zwei Gelegenheiten, als ich ihn getroffen habe, immer gegenüber uns Bischöfen eingefordert: ‚Riskiert etwas!‘.“ Der Papst werde bei seinem Reden über die Reform der Kirche oft so verstanden, dass es ihm um die Struktur gehe. „Ich glaube vielmehr, Papst Franziskus will, dass jeder von uns noch viel mehr den Glauben leben soll.“

Für den Bischof mit dem Flächenbistum von einer Größe der halben Bundesrepublik Deutschland heißt das nicht nur, regelmäßig die vielen verstreuten Gemeinden zu besuchen und die Menschen im Blick zu haben, die nicht regelmäßig in den Gottesdienst kommen. Es bedeutet für den Franziskanermönch Bahlmann auch ganz praktisch, sozial-politische und gesellschaftliche Probleme anzupacken. „Wir müssen uns immer fragen: Was will der Heilige Geist von uns?“

Bischof Bahlmann berichtet davon, wie er in Óbidos schockiert war, als einem Jugendlichen am Rande eines Fußballfelds mit einer abgebrochenen Flasche der Bauch aufgeschlitzt worden war. „Drogen, Prostitution und Gewalt bestimmten bis dahin den Tagesablauf in diesem Stadtviertel.“ Um den Jugendlichen einen Ausweg aus dieser Perspektivlosigkeit zu bieten, förderte er die Einrichtung eines Jugendzentrums mit dem Namen „Kultur des Friedens“. Dort können die jungen Leute seit 2012 kostenlos Computerkurse besuchen, ein Musikinstrument oder die Kampfkunst Capoeira erlernen. „Die Kapelle des Jugendzentrums hat allein im vergangenen Jahr 58 Auftritte absolviert“, erzählt der Bischof stolz. Entscheidend aber sei, dass durch die gemeinsamen Kurse die Jugendlichen einander besser kennenlernten, sich vernetzten und Freundschaften knüpften. „Die Situation in der Gegend hat sich deutlich entspannt, die Gewalt ist zurückgegangen.“ Und auch kirchlich trägt die Arbeit Früchte: Ein junger Mann aus der Gemeinde hat sich für den Priesterberuf entschieden, eine junge Frau ist in einen Orden eingetreten.

Auch in der Gesundheitsversorgung gab es in Óbidos eklatante Missstände. „Ich hatte es satt, vor dem Krankenhaus in Óbidos Menschen sterben sehen zu müssen.“ Die Verantwortlichen hätten die politischen Interessen über das Allgemeinwohl gestellt. „Wir dürfen als Kirche nicht zusehen, wenn Menschen zum parteipolitischen Spielball gemacht werden.“ Deswegen habe er alle Hebel in Bewegung gesetzt, dass sich ein neuer Träger fand, der das mit rund 800.000 Euro verschuldete Krankenhaus übernahm. „Mit einem gebrochenen Bein zum Beispiel kann niemand ein paar Stunden Bootsfahrt auf sich nehmen, um zum nächstgelegenen Krankenhaus zu gelangen.“ Ein franziskanischer Orden mit Schwerpunkt Krankenpflege hat sich der Einrichtung angenommen und musste praktisch bei Null anfangen. „Der OP-Tisch war verrostet, der Generator hat neulich Feuer gefangen und ein Ordensmann musste ihn auf die Schnelle mit seinem Ordensgewand löschen.“

Vor wenigen Jahren, als der Aluminiumkonzern Alcor auf dem Gebiet des Bistums Óbidos anfing, Bauxit abzubauen, sei für zehn Millionen Euro ein Krankenhaus im rund 200 Kilometer entfernten Juruti errichtet worden. „Das steht seither leer. Ich habe mich daher an den Konzern gewandt und ihn an seine soziale Verantwortung erinnert. Die Verantwortlichen haben mir zugesagt, das Krankenhaus in Óbidos zu renovieren und einen neuen Trakt zu bauen.“ Jetzt munkele man in Óbidos, der Bischof wolle Bürgermeister werden, erzählt dieser schmunzelnd.

Mit einer speziellen Taktik habe er es auch geschafft, dass die politische Gemeinde sich an den Kosten eines Trinkwasserbrunnens in einem außerhalb gelegenen Stadtteil beteiligt hat. „Ich habe gesagt: Ein Drittel der Kosten übernehme ich, ein Drittel bringen die Anwohner auf. Wie viel trägt die Stadt?“ Für ihn sei es selbstverständlich, auch am Stadtrand präsent zu sein. „Unser Auftrag ist schließlich, Gottes Liebe spürbar zu machen.“ Das gelte auch für die echte „Seel-Sorge“. Aufgrund der geringen Zahl von Priestern gebe es an den Sonntagen in vielleicht zehn Prozent der Gemeinden seines Bistums Eucharistiefeiern. „Deswegen halte ich es für wichtig, auch über verheiratete Priester zu sprechen, auch wenn ich weiß, dass die Zeit noch nicht reif für dieses Thema ist.“ Schon innerhalb der Brasilianischen Bischofskonferenz sei die Diskussion hierüber „durch Kraut und Rüben“ gegangen.

Derzeit entwickelten sich die geistlichen Berufe in seinem Bistum gut. Insgesamt 15 junge Menschen seien Bewerber bei Orden oder studierten auf den Priesterberuf hin. „Diese große Zahl kommt mehr vom vielen Leiden als vom vielen Beten“, sagt Bischof Bahlmann. „Kirche darf sich nicht der Sorge für das Gemeinwohl verschließen.“

mh (POW)

(2115/0489; E-Mail voraus)

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