Geschichte und Gegenwart des osteuropäischen Films – vom Monumentalkino über Pan Tau bis zu US-Blockbustern aus Bulgarien
Freising. Düstere Bilder und langsames Erzählen – das verbinden noch immer viele Menschen mit Filmen aus Mittel-, Ost- und Südosteuropa. Dabei ist die Vielfalt des osteuropäischen Kinos viel größer – und die Produktionen sind längst Teil des internationalen Filmgeschäfts geworden. Die neue Ausgabe der Zeitschrift „OST-WEST. Europäische Perspektiven“ (OWEP) zeichnet die Entwicklung nach.
Der Slawist Ulrich Schmid blickt zurück auf die Geschichte sowjetischer Filme – und erinnert an legendäre nächtliche Filmvorführungen zu Zeiten von Diktator Stalin im Kreml, wo sogar US-Western oder Chaplin-Filme liefen. Die russische Kinolandschaft hat sich nach dem Ende der Sowjetunion mehrfach neu erfunden, auch ein erfolgreiches Arthouse-Kino, schreibt die Film- und Theaterkritikerin Olga Shakina – Freiräume, die unter Präsident Putin inzwischen nahezu völlig verschwunden sind.
„Filme aus Polen sind in Deutschland nur vereinzelt bekannt,“ schreibt Andrzej Kaluza, Germanist und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Deutschen Polen-Institut. Dabei greifen sie wichtige Themen auf und sorgen im eigenen Land für kritische Debatten, wie etwa der Film „Green Border“ über die „push backs“ an der polnisch-belarussischen Grenze oder Spielfilme wie „Kler“ (Klerus) über sexuellen Missbrauch und den Sittenverfall von Klerikern in Polen.
Ein erstaunliches Phänomen analysiert die Historikerin Helena Srubar: Den Erfolg tschechoslowakischer Kinderserien wie Pan Tau in der Bundesrepublik und vielen anderen Ländern Westeuropas. Entstanden in den 1970er und 1980er Jahren als Koproduktion des tschechoslowakischen Studios mit dem WDR waren sie im geteilten Europa ein bemerkenswerter Kulturimport von Ost nach West. Trotz des „Eisernen Vorhangs“ wuchs dadurch eine ganze Generation von Kindern mit denselben Kinderserien auf - „eine gemeinsame, grenzüberschreitende Gedanken- und Phantasiewelt“, so Helena Srubar.
„Kino ohne erhobenen Zeigefinger“ ist das Interview überschrieben, das OWEP-Chefredakteurin Gemma Pörzgen mit dem Filmkurator Bernd Buder über das FilmFestival in Cottbus führte. Seit seiner Gründung 1991 ist es eines der führenden Festivals des osteuropäischen Films. Die besondere Qualität der Filme: Sie sind, so Bernd Buder, selten belehrend, aber stets nah dran an der Realität der Zuschauer. Das Heft informiert zudem über die aktuelle Filmszene in Belarus, Georgien und in der Ukraine – und berichtet, dass sogar Hollywood-Größen wie Sylvester Stallone oder Antonio Banderas in den vergangenen Jahren öfter in der bulgarischen Hauptstadt Sofia eingeflogen sind: Dort steht das drittgrößte Filmstudio Europas - in dem inzwischen viele US-Blockbuster gedreht werden.